„Du musst eben lernen allein zu sein“, ein Satz, der mich durch die letzten 11 Jahre meiner chronischen Erkrankung begleitet. Gesagt bekomme ich ihn meistens von genau den Menschen, die es eigentlich am besten mit mir meinen. Die mir nahe stehen und die ich als meine größte Stütze betrachten würde. Ich habe lange darüber nachgedacht, ob ich diesen Beitrag schreiben soll. Ob ich ihn schreiben kann. Denn das Thema „Einsamkeit“ ist eines, das mir unter die Haut fährt.
Wann verlangt man zu viel?
Wahrscheinlich gibt es hier nicht die EINE Wahrheit. Wahrscheinlich sind die Spielarten so unterschiedlich wie die Sandkörner am Meer. Besonders schwierig ist es, weil mehr als eine Person betroffen sind. Weil eine chronische Erkrankung wie Morbus Crohn eben nicht nur die kranke Person beeinflusst, sondern an unterschiedlichen Punkten auch den Partner oder andere Angehörige.
Die Erkrankung macht mich von Zeit zu Zeit einsam. Das liegt zum einen daran, dass es Phasen gibt, in denen ich mehr oder weniger Zuhause bleiben muss. Das ist eine Einschränkung, die ich nicht immer so einfach wegstecke. Gerade dann, wenn eigentlich ein Geburtstag gefeiert wird, liebe Freunde sich verabreden oder ich einfach Lust auf einen Ausflug hätte. Das ist die eine Art von Einsamkeit, die einem die Erkrankung „aufzwängt“, indem sie einen schlichtweg räumlich isoliert. Gleichzeitig fühle zumindest ich mich auch zeitweise innerlich einsam. Daran ändert dann erstmal auch nicht, dass ich weiß, dass ich Familie und Freunde habe, das Gefühl der Isolation bleibt. Ich nehme mich als „anders“ wahr, als Abweichung, als Belastung im schlimmsten Fall.
Was mir in schlechten Phasen hilft, ist trotz allem das Gefühl, eine Schulter an meiner Seite zu haben, eine echte, keine via Telefon oder Bildschirm. Meinen Kopf lenkt das ab, macht ihn leichter und weniger verbissen auf die Dinge gerichtet, die gerade nicht so gut laufen. Die Frage, die sich hierbei stellt, ist dann aber natürlich: ist das fair? Kann man erwarten, dass so eine Schulter für einen da ist? Darf man sich das wünschen oder sollte man vor allem dafür sorgen, dass die eigenen Einschränkungen zumindest das Umfeld, den Partner, so gut wie gar nicht betreffen? Ist das überhaupt möglich? Und ist es wirklich so falsch sich jemanden an der eigenen Seite zu wünschen, weil es die eigene Situation leichter zu ertragen macht? Oder ist das am Ende nur eines: unfair? Weil es ja mein Schicksal ist, nicht das, eines anderen.
Kommunikation: der goldene Schlüssel?
Ich kenne die genaue Antwort nicht. Ich weiß nur, es ist ein Drahtseilakt. Zwischen den eigenen Bedürfnissen, dem, was gut tun würde und dem, was die anderen in dem Moment wollen oder geben können. Wie sieht die Lösung aus? Die anderen nicht einschränken, aber gleichzeitig unter der Last der Situation zerbrechen? Man kann von niemandem Unterstützung erzwingen, aber darf man sie wenigstens erbitten? Darf man über das Alleinsein traurig sein oder ist auch das ungerecht, weil es dem Umfeld ein schlechtes Gewissen macht? Was als Instrument bleibt, ist meiner Meinung nach Kommunikation. Sich austauschen, möglichst offen die jeweiligen Bedürfnisse kommunizieren und dann auch zu Kompromissen bereit sein. Das wiederum, so glaube ich, gilt letztlich für beide Seiten. Betroffene wie Angehörige. Eine Erkrankung wie Morbus Crohn lässt sich in vielen Fällen nicht alleine bewältigen ohne anderweitige Verluste. Und sie lässt sich auch nicht aus einem gemeinsamen Leben ausklammern.
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