Niemand hat es immer leicht oder immer schwer. Auch wenn sich das oftmals so anfühlt. Das Sache ist die, dass wir eigentlich ein gemischtes Blatt in der Hand halten. Was wir dabei sehen, ist in vielen Fällen bloß der Schwarze Peter. „Täuschung,“ will ich dann rufen, „wir müssen das Maß finden!“. Aber ich bleibe still. So richtig gut mache ich es ja selbst nicht.
CED und die Suche nach dem Maß
Wer mit einer CED lebt oder wahrscheinlich mit irgendeiner chronischen Erkrankung, die sich eben nicht nach 2 Wochen Bettruhe wieder aus dem Leben verabschiedet, kennt die Crux wohl. Wie viel der durchlebten Tage ist Tapferkeit, auf die man durchaus stolz sein kann, weil man Stärke bewiesen hat? (Auch wenn man tatsächlich erstmal lernen muss auf vermeintliche „Kleinigkeiten“ stolz zu sein…) Und wie viel ist eben Alltag mit Höhen und Tiefen, wie ihn auf eine Art jeder kennt, ob gesund oder krank? Wo zieht man die Trennlinie? Ab wann darf man jammern? Oder das Gefühl haben aufgeben zu wollen und sich weinend auf den Boden zu setzen? Und welcher Teil ist eben bloß ein schwer vergleichbares Hindernis, vor dem wir alle stehen können – ob krank oder gesund?
Es wird nicht leichter, denn ich will mein eigenes Leid damit nicht verschwindend klein machen und mich selbst an den Punkt treiben, an dem ich keine Berechtigung mehr für die bestehenden Anstrengungen in den Kleinigkeiten meines Alltags sehe. Gleichzeitig wehre ich mich dagegen im Mitleid zu versinken, wo es kalt und dunkel ist, und mich damit zufrieden geben, dass ich es morgens aus dem Bett geschafft habe. Da ist sie dann, eine tiefe Form von Zerrissenheit.
Wahrscheinlich ist das ein Stück der besonderen Schwere einer chronischen Erkrankung. Sie tut Dir nicht nur auf körperlicher Ebene viel an. Sie schneidet auch durch deine Gedanken, lenkt deinen Kopf in ihre Richtung und setzt Dich einer Vielzahl an Widersprüchlichkeiten aus. Sie bringt Dich ins Straucheln, wo Du eigentlich Balance finden solltest und aus dem Takt, so dass Du dich schwer tust festen Tritt zu fassen, der Dich nach vorne bringt. Gleichzeitig – und das glaube ich tatsächlich – macht sich Dich tiefer. Du bist an so vielen Stellen aufgebrochen und herabgestiegen in dein Inneres. Du hast viel Zeit allein verbracht und weißt, dass man sich auch unter Menschen verdammt einsam fühlen kann. Du hast bei all dem viel von Dir selbst gesehen. Manchmal vielleicht sogar zu viel. Das beste, was mir einfällt, ist beiden Facetten mit Emotionen zu begegnen: Sei verdammt stolz und doch voller Demut. Am Ende bleibt es ein Tanz ums Gleichgewicht.
Marie-Laure, die blinde Protagonistin in Anthony Doerrs Roman „Alles Licht, das wir nicht sehen“, hat dazu Worte, die mich erreicht haben:
Er sagt: „Du bist sehr tapfer.“
Sie senkt den Eimer: „Wie heißt du?“
Er sagt es ihr. Sie sagt: „Als ich blind wurde, Werner, haben die Leute gesagt, ich sei tapfer. Als mein Vater verschwand, sagten sie, ich sei tapfer. Aber es ist keine Tapferkeit. Ich habe keine Wahl. Ich wache auf und lebe mein Leben. Tust Du nicht das Gleiche?“
Wie steht ihr dazu?
Leave a Reply