„Deeeen Kaffee willst Du jetzt trinken?,“ sagt sie mit erstauntem Blick und etwas anklagend hochgezogenen Augenbrauen, während ich mir gerade mit ganz schön viel Vorfreude den Becher vollgemacht habe, schon völlig hypnotisiert auf die schaumige Oberfläche schaue und den ersten Schluck kaum erwarten kann. „Hm, äh, ja…,“ kommt es leicht verunsichert aus meinem Mund, dessen Winkel sich gerade noch vorfreudig nach oben gezogen hatten. „Aber das ist ja mal gar nicht gut für den Magen! Also, mit deiner Erkrankung, willst Du nicht lieber einen Kräutertee nehmen? Nicht verwunderlich, dass Du dann immer Bauchschmerzen hast!“ schlussfolgert mein Gegenüber stolz. Ich bin enttarnt, 100 Punkte für den selbst erkorenen Sherlock Holmes neben mir. Ich seufze.
Ich bin nicht sicher wie viele „gute“ oder zumindest gut gemeinte Ratschläge ich in den letzten Jahren wegen meines MC schon gehört habe. Rohes Gemüse soll ich meiden. Vollkorn, Müsli, Milch – Finger weg! Ob ich es mal mit Chia probiert hätte – kommt neuerdings oft. Wie sieht das aus, wenn ich kleinere Portionen esse? Bitte kein Fast Food! Bitte kein Gluten! Was halte ich denn von dieser oder jenen Diät? Ob ich denn Entspannungsübungen mache, ich sei ja auch immer so gestresst und kein Wunder, dass es mir auf den Bauch schlägt, wenn ich mir dieses oder jenes so zu Herzen nehme. „Nimm‘ die Dinge leichter, dann geht’s Dir auch besser“ oder „Kurkuma und Pfeffer, ich sag’s Dir! Seit XY das nimmt, fühlt sie sich viel besser und früher da hatte die ja auch immer diese Magenprobleme, Du weißt schon.“ Ja, ich weiß schon. Und zwar, dass ich es schön finde, wenn jemand Anteil nimmt und ich am Ende doch bitte selbst entscheiden darf, wie ich was mache. Ohne krumme Blicke, Schnauben, Kopfschütteln oder Enttäuschung über meine „Unbelehrbarkeit“.
Das klingt jetzt widersprüchlich und ist es im Alltag auch oft. Auf der einen Seite wünsche ich mir meistens nichts sehnlicher als diesen Funken Beistand, der kein Mitleid bedeutet, sondern mir das Gefühl gibt, nicht alleine über den manchmal steinigen Weg dieser chronischen Erkrankung laufen zu müssen. Dass es okay ist, wie ich bin und dass es kein Problem darstellt, wenn ich auch zum zweiten Mal absage, weil ich keine andere Möglichkeit habe, nicht weil ich es böse meine. Ich weiß, es ist viel verlangt, wenn man sich den Drahtseilakt von der Welt wünscht und dabei nicht immer selbst das Netz spannen kann, um alle aufzufangen. Das bedeutet auch, dass ich mich oft nach gemeinsamen Schweigen sehne. Dem Gefühl, dass da jemand neben mir ist ohne ständig alles kommentieren und besser wissen zu müssen. Ja, ich trinke den Kaffee, weil er mir den Tag echt angenehmer macht, weil ich diese fünf Minuten am Morgen liebe und – Achtung, Überraschung! – weil es mir damit gut geht. Wirklich wahr und Punkt. Deswegen bin ich nicht weniger krank und brauche auch nicht weniger Mitgefühl an anderer Stelle. Für jemanden da sein zu sein drückt sich nun mal nicht in ständigem Abladen von Verbesserungsvorschlägen aus, sondern in Akzeptanz, ganz ohne Vergabekriterien und Konditionen. Ich weiß, dass dass dieser Schritt oft nicht einfach ist und das wahrscheinlich folgende Fragezeichen in den anderen Köpfen ziemlich hell leuchten: Wenn das geht, wo bist Du denn dann eingeschränkt? Wenn Du all das tust, wo brauchst Du denn dann Fingerspitzengefühl?
Der beste Ratschlag, den ich geben kann, ist eigentlich nicht besonders neu, aber doch oft überraschend: Gute Ratschläge sind selten, Schweigen an meiner Seite ist dagegen meistens ganz schön großartig. Danke.
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