„Na, versucht’s Du es auch noch auf die letzten Meter mit der Bikini-Figur?“, sagt die junge Frau in der Umkleide des Fitness Studios schüchtern lächelnd zu mir. Wir haben uns beide dieselbe Bank zum Abstellen der Taschen ausgesucht, ich entwirre gerade das Kabel meiner Kopfhörer. Mhh…“, gebe ich als undefiniertes Geräusch von mir. Trainierst Du auch nach einem Plan? Hast Du deine Ernährung angepasst? Ich versuche nach 17 Uhr nichts mehr zu essen, aber naja…“, redet sie weiter und scheint froh zu sein hier nicht so allein rumstehen zu müssen. Ich glaube, sie meint das alles ganz schön nett. Ich bin trotzdem im Zwiespalt.
Körperbilder und Körpergefühl – Dreamteam oder nicht?
Für mich ist das Thema „Sport“ nicht so einfach. Als Kind war ich als Leistungsturnerin sehr sportlich. Im Jugendalter habe ich lange Zeit getanzt und vor drei Jahren bin ich 500 Kilometer mit dem Fahrrad durch Deutschland gefahren. Eine sportliche Routine bekomme ich trotzdem nicht hin. Ein Stück liegt es bestimmt an der inneren Einstellung, ein großer Teil rührt aber auch daher, dass ich mich einfach nicht konstant gleich leistungsfähig fühle. Für eine Weile schaffe ich es 1-2 pro Woche ins Fitness-Studio, dann folgt wieder eine Phase der gesundheitlichen Einschränkung und zack! war ich wie jetzt erst wieder für fünf lange Wochen überhaupt nicht mehr in der Nähe von Trainingsgeräten. Gefühlt fange ich dann wieder von vorne mit Dingen wie Ausdauer und Muskelaufbau an.
Natürlich nagt dabei die mediale Präsenz fitter, trainierter Körper auch an mir. Definierter würden meine Arme besser aussehen, straffer wäre mein Po bestimmt schöner, gleiches gilt für den Bauch. Ach, wenn wir dabei sind: die Beine könnten auch Training gebrauchen. Am Ende bleibt eine einzige Baustelle im Spiegel übrig. Bevor es jetzt einen stillen oder lauten Vorwurf hagelt (den kenne ich aus vielen Jahren schon): Ja, ich bin von Natur aus eher schlank. Ja, die Gene haben es ganz gut mit mir gemeint. Ich kann mich ein bisschen auf ihnen ausruhen, aber die Sache ist doch die: Wir alle nehmen uns eben in unserem eigenen Körper, unserem eigenen Kontext wahr – da spielt es dann auch keine so große Rolle, was die anderen dir sagen. Und ich finde es furchtbar, wenn man den einen das Recht nicht ganz glücklich zu sein komplett abspricht, weil sie „doch froh sein können mit dem, was sie haben“.
Was mehr zählt als Abs und absolvierte Trainingsrunden
Während ich also neben meiner Tasche im Fitness-Studio stehe und merke wie ich mich mit meinem Körper unzufrieden fühle und gar nicht nach Bikini, rattert mein Kopf plötzlich. Meine Blutwerte sind okay. Zum ersten Mal seit 11 Jahren nehme ich keine Medikamente und vielleicht ist dieser Test ja etwas, was für längere Zeit funktionieren könnte. Dieser Körper da im Spiegel ist eigentlich ziemlich stark. Ein Kämpfer. Nie aufgegeben, immer wieder die Kurve gekriegt. Manchmal tut er weh, manchmal ärgert er mich unfassbar, aber am Ende konnte ich mich immer auf ihn verlassen. Eigentlich ist das doch ganz schön viel wert. Eine Diät habe ich nie versucht. Ich mag Essen und freue mich über jeden Tag, an dem ich beschwerdefrei genießen kann. Da will ich mir nicht zusätzliche Regeln aufzwingen.
Plötzlich erinnere ich mich an einen Satz, den ich erst vor kurzem gelesen habe, schaue die junge Frau neben mir an und antworte mit einem Lächeln: „Nee, den Bikini Body habe ich schon. Einfach Bikini anziehen und los geht’s. Hier bin ich bloß, weil ich mich danach gut fühle, den Kopf frei kriege und das Gefühl mag, wenn ich später verschwitzt unter die Dusche springe.“ Erst schaut sie mich verdutzt an und muss dann lachen. Vielleicht ist das am Ende sowieso das, was zählt.
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