Meistens passiert es nachts, wenn alles andere um mich herum still geworden ist. Dann knallen Gedanken wie Schüsse abgefeuert aus nächster Nähe um meine Ohren und schlagen da ein, wo ich mich eben noch verzweifelt an ein paar Säulen der Hoffnung klammere. Es ist nicht so, dass ich ein Dauertrübsal blasendes Wesen wäre. Es ist aber so, dass ich schon immer viele Fragezeichen in mir getragen habe. In vielen Momenten flattern sie wie kleine Flügel und treiben mich an und in Richtungen, die ich ohne sie niemals gefunden hätte. Manchmal verrutschen sie aber und kleben wie eine Last auf meinem Rücken, meinen Schultern, so dass ich gebeugt gehen muss und statt des Himmels nur noch den Boden sehe. Und der ist grau oder braun, manchmal ein paar Grashalme, die sind dann nur leider selten so Grün wie die versprochene Hoffnung, sondern bereits gelb geworden und trocken. Sie sagen Sätze, die niemand hören möchte wie „Versuch es gar nicht erst, Du packst das nicht“ oder „Es ist zu spät, du warst zu langsam“. Zur Steigerung der bereits erreichten Hoffnungslosigkeit frage ich mich dann mahnvoll, was nicht stimmt mit mir. Warum ich so sorgenvoll bin und zweifelnd. Warum ich nicht klar komme, warum nicht nicht lächle oder zumindest mit einem ruhigen Herzen einschlafe. Die Bühne ist groß geworden um mich, den traurigen Clown, die Lichter haben sind ausgeschaltet. Im Publikum sitze bloß noch ich selbst und sehe erbarmungslos zu wie ich in die Knie gehe. Selbstzweifel der ersten Güte nennt man das. Wenn ich etwas erstklassiges produzieren kann, dann immerhin das.
Krieg und Frieden auf dem persönlichen Schlachtfeld
Wenn ich es schaffe wieder ein Stück zurückzutreten und mir selbst eine Pause zu gönnen, dann kann ich das Problem meistens schon wieder eingrenzen, aber trotzdem nicht vollständig auflösen. Bis hierhin sind das wahrscheinlich Worte, die jeder an einem Punkt des Lebens schon mal gefühlt haben kann.
Mit einer chronischen Krankheit ausgestattet, bin ich an vielen Stellen aber außerdem überfragt, wie viel meiner vermeintlichen Schwäche, Selbstzweifel und Sorge auf ebendieser Tatasche begründet ist und wie viel davon schlichtweg „normales Leben“ bedeutet. Was ich der Krankheit anlasten darf, macht gefühlt wenigstens mich etwas leichter, auch wenn wir ja eigentlich unweigerlich zusammen gehören. Was genau tut sie denn, die CED, frage ich mich dann? Es geht wohl darum, dass ein konstanter Unsicherheitsfaktor mein Leben zwar nicht bestimmt, aber maßgeblich beeinflusst. Dass ich mich oft ausgeliefert fühle und hilflos. Dass ich mich manchmal in einer unendlichen Warteschleife zwischen Diagnosen und Terminen gefangen sehe und eigentlich bloß das Feld verlassen will. Dass ich die Einschränkung spüre, ihr aber nur bedingt nachgeben möchte, denn was bleibt dann noch und was kommt dann? Wahrscheinlichkeiten kalkulierend laufe ich als Resultat in regelmäßigen Abständen Gefahr den Kopf zu verlieren. Das sind die Momente, in denen die Gewehrsalven einsetzen. Und ich mich schlecht fühle. Schlecht, weil ich so besorgt bin und mir dabei im Weg stehe, die Version meiner selbst zu sein, die ich am liebsten mag. Weil die Angst um die Zukunft mich auffrisst und ich in einem Zustand der Lähmung die Tür aus dem Zimmer nicht mehr finde. Weil ich nicht sicher bin, ob ich ein Recht auf all das habe. Ein Recht mich so zu fühlen und aufzuführen. Weil ich eigentlich finde, dass wir alle ein bisschen klar kommen müssen, um dann durch mein eigenes Spiegelbild das Gegenteil zu sehen.
Irgendwann ist es wieder morgen und ich stehe auf. Irgendwann ist es Zeit Frieden zu schließen und aufzuhören sich schuldig zu fühlen. Immerhin eine Sache habe ich schon früh abgelegt. Ich glaube nicht daran, dass diese Krankheit eine Bestrafung darstellt. Das man das bekommt, was man verdient. Auf Dauer ist wahrscheinlich bloß Akzeptanz der Schlüssel zu Frieden und Frieden ist bekanntlich das Ende von Feuergefechten.
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