Ein Knall, den ich nicht gehört habe. Nur langsam schlich sich die Gewissheit ein, dass ich mich selbst in eine Sackgasse manövriert hatte, der Rucksack auf meinem Rücken zu schwer geworden war. Immer häufiger ertappte ich mich dabei wie ich auf dem Sofa saß und in den Raum schaute ohne wirklich zu sehen. Durch den Alltag manövrierte ich mich im Automatik-Modus, einfach weitermachen, viel übrig von mir selbst blieb dabei für eine Weile nicht mehr.
Das mag auch eine unterbewusste Entscheidung gewesen sein. Sich selbst zurückziehen und dadurch weniger aufnehmen müssen, wo es eh schon zu viel geworden ist, kann eine Strategie sein, um sich wenigstens durch die wichtigen Aufgaben des Tages zu bringen. Das Gerüst jedoch stand auf wackligen Stelzen und es brauchte nicht viel, um es ins Wanken zu bringen, das Gefühl der Überforderung in mein Gesicht zu pusten und mir nicht selten die Tränen ins Gesicht zu treiben. Als Reaktion setzte ich mich dann aufs Sofa, schaute in den Raum, ohne wirklich zu sehen. Distanz aufbauen, vor allem zu mir selbst und dem Leben, das mir bedrohlich und schwer zu bewältigen vorkam. Da war es, das rote Lämpchen der Psyche.
Warum es okay ist, auch mal überfordert zu sein
Was passiert war? Ein nervenaufreibender Aufenthalt im Krankenhaus, eine weitere Erkrankung, die es zu akzeptieren galt, gesundheitliche Ungewissheit, berufliche Veränderungen, dazwischen mein Anspruch genauso weiterzumachen wie davor, besser immer 110% geben und trotzdem wenig Ausruhen bei angesammelter Erschöpfung aus mittlerweile 10 Jahren Morbus Crohn. Wahrscheinlich ist es richtig zu sagen, dass ich mir den Teppich unter den Füßen langsam aber sicher selbst weggezogen habe.
Mittlerweile – Monate später – kann ich sagen: Täler, egal wie tief, führen am Ende wieder zu einem Anstieg, egal wie ausweglos sie sich bisweilen anfühlen. Im besten Fall lernt man aus ihnen und versteht ein paar der Dinge besser, die einem selbst das Leben angenehmer gestalten.
Für mich hat das bedeutet, mehr zu akzeptieren. Es ist okay, überfordert zu sein. Das Leben mit gesundheitlicher Einschränkung ist mitunter hart und fordert viel Energie. Der Kampf um Alltag kann enttäuschend sein, denn am Ende hat man mit viel Anstrengung ja doch nur geschafft, was bei vielen anderen Menschen „Normalität“ bedeutet. Das kann frustrierend sein und damit manchmal das Gefühl einer Sackgasse bedeuten. Wenn Alltag schon anstrengend ist, steckt man zusätzliche Herausforderungen und „Schläge“ des Lebens eben manchmal schlechter weg. Fühlt sich gestrandet, will sich verkriechen, fragt nach dem Sinn und steckt als Lösung eben mal den Kopf in den Sand.
Was der Psyche in Momenten der Überforderung helfen kann
Abgesehen davon, dass es schwer genug ist, sich mit den Anforderungen des sozialen Umfeldes zu arrangieren, geißelt man sich mit dem eigenen Anspruchsverhalten eigentlich schon ausreichend. „Heute MÜSSEN xy Dinge erledigt werden, heute darf ich mich nicht müde fühlen, das sollte mir nichts ausmachen, komm‘ schon – halb so wild, weiter geht’s“. Bedeutend gesünder ist es, die eigenen, vielleicht eingeschränkten Mittel und Möglichkeiten zu akzeptieren und sie nicht ständig in ein Verhältnis zu setzen. Im Vergleich mit anderen schneiden wir immer schlechter ab, das geht fast jedem so, glaube ich. Ob gesund oder krank.
Aufhören mit den Schuldzuweisungen an sich selbst – wenn ich andere Betroffene davon reden höre, was sie wohl falsch gemacht haben, dass sie das alles verdienen, wird mir ein bisschen schlecht. Hier geht es nicht um Schuld und Sühne. Das hier ist einfach das Leben und was dabei am meisten hilft, ist Selbstakezeptanz.
Eine weitere Sache, die mir persönlich hilft, ist die Idee, dass es nicht immer für alles sofort Lösungen geben muss. Auch Emotionen brauchen Raum und statt die immer wieder zu übergehen und stur „weiterzumachen“ führt auf Dauer eher dazu, in einer Sackgasse zu enden. Es mag eine Weile gut gehen die eigenen Gefühle wegzupacken, irgendwann finden sie ihren Weg an die Oberfläche und dann ist das ziellose in den Raum schauen vielleicht noch die harmloseste Konsequenz.
Letztlich und das ist mir wirklich wichtig, ist es ganz und gar kein Zeichen von Schwäche, wenn man sich externe Hilfe sucht, auch wenn das bedeutet, psychotherapeutische Betreuung in Anspruch zu nehmen. Familie und Freunde sind oft zu nah dran, um dauerhaft die nötige Empathie, Verständnis und Draußen-Sicht bewahren zu können. Und das ist auch okay. Es ist keine Schande zu sagen, „ich brauche Hilfe, alleine werde ich gerade nicht mit all dem fertig.“ Es ist sogar sinnvoll sich Strategien zeigen zu lassen und sich selbst einen Raum zu eröffnen, in denen die Überforderung, die Trauer, die Wut, die Erschöpfung Platz finden. Erst dann lassen sich auch Lösungen und Aktionen ableiten, die den Teppich unter den eigenen Füßen wieder ausrollen. Zentimeter für Zentimeter. Mit Geduld, im eigenen Tempo. Fernab von dem, was man glaubt sein zu müssen. Dafür nah bei dem, was wir sind.
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