Bisher bin ich noch nie auf einen richtigen Wellness-Trip gegangen. Liegt wahrscheinlich daran, dass das bisher immer eine Art von Luxus darstellte, den ich mir in letzter Konsequenz nicht gönnen wollte. Wann immer meine Gedanken in die Richtung eines Entspannungswochenendes wanderten und ich liebäugelnd ein paar passende Suchbegriffe in den Browser tippte, gingen fast zeitgleich die kritischen Fragen an mich selbst los: brauche ich das denn, ist das überhaupt was für mich und kostet der Spaß nicht schlichtweg zu viel Geld? So waren mir die paar Hundert Euro jedenfalls am Ende bisher immer zu schade, die ich für so einen Trip hätte bezahlen sollen, um dann im Schwarzwald oder an der Nordsee bei ein paar Anwendungen die Seele baumeln zu lassen. Nachdem mich die letzten Monaten vor allem gesundheitlich aber ganz schön Nerven gekostet haben (es ist ein Teufelskreis manchmal!), ist die Lust auf ein bisschen Verwöhntwerden mit System aber so klar und deutlich auf meinem Radar aufgetaucht wie bisher noch nie. Und nun könnte sich tatsächlich bald mal ein Wellness-Trip anbahnen, denn per Zufall habe ich einen Ort entdeckt, der dafür ganz schön viel Potenzial hat. Ich sage nur: auf nach Marienbad!
Glanz und Gloria in Marienbad
Ich lebe in Berlin und komme aus dem deutschen Südwesten. Dazwischen liegen hunderte Kilometer, die bei einer Autofahrt ganz schön mürbe machen. Eigentlich bloß aus diesem Grund haben wir nach einem guten Spot für einen Zwischenstopp gesucht. Auf Nürnberg hatte ich wenig Lust und so tauchte da plötzlich die Möglichkeit auf, einfach über die tschechische Grenze hinweg nach einer Übernachtungsmöglichkeit zu suchen.
Beim Blick auf die Landkarte fiel der Blick ganz schnell auf die Orte Mariánské Lázně (Marienbad) und Karlovy Vary (Karlsbad). Aus dem Bauch heraus und weil es praktischerweise näher an der Grenze liegt, war in ein paar Minuten die Wahl auf Marienbad gefallen. Obwohl ich unfassbar gerne durch Osteuropa reise, kannte ich in Tschechien bisher nur den Klassiker Prag. In etwas mehr als vier Stunden von Berlin aus, ist man dann aber hier, im kleinen, funkelnden Diamanten namens Mariánské Lázně. Wer die Innenstadt des Kurortes erblickt, versteht urplötzlich, was mit dem Begriff „flanieren“ gemeint ist, denn das hier ist der Platz dafür. Durch den Park, vorbei an fassunglosmachenden Fassaden geht man; die ehrwürdigen Häuser und Villen sehen nämlich so aus, als seien sie mit buntem Zuckerguss überzogen. Sie versprühen den Glanz alter Tage, prächtig und kunstvoll.
Bei einem Spaziergang fühle ich mich in einem Moment an Paris erinnert und doch ist hier alles ein wenig besser in Schuss, glänzender, zuckriger. Der Park im Zentrum ist zum spazierenden Flanieren da, die Fontäne zum Gucken, die wunderschöne Kollonade – die Bäderpromenade – mit ihrem barocken Baustil lässt einen ganz automatisch feierlich schreiten statt bloß gehen, den Kopf nach oben gereckt, staunend darüber, wie malerisch die Innenstädte um die Jahrhundertwende ausgesehen haben müssen. Und plötzlich erhält dann auch die Poesie in Goethes Werther einen neuen Sinn, denn wer sich hier nicht ein klein wenig romantisch-verzaubert fühlt, muss einen Stein anstelle des Herzens in der Brust tragen. Goehte war übrigens damals sehr gerne hier, genau so wie viele andere seiner Zeitgenossen, als Mariánské Lázně (Marienbad) und Karlovy Vary (Karlsbad) noch zu den bedeutendsten Kurorten Europas zählten, quasi die Wellness Hotspots von Damals waren. Damals wie Heute kommen die Menschen noch zum Baden und Gesunden her, nur habe ich selbst nichts davon gehört bisher. Beim Blick auf die Preislisten, frage ich mich aber eher, warum nicht all meine Freunde, meine Eltern, Nachbarn und wer sonst noch auf Erholung steht, schon längst dort waren. Eines der ersten Hotels am Platz bietet zehn Anwendungen für 130 Euro an, fünf Tage Wellness-Aufenhalt mit Pipapo und Vollpension gibt es für unter 500 Euro. Hallo, Träumchen, das wahr werden kann!
Ein kleines Fazit und ein großes Ziel
Ich bin verzaubert. Nicht nur wegen der Preise, die so eine Reise auch für Studenten und Weniger-Verdiener möglich machen, sondern auch, weil hier einfach alles zauberhaft aussieht. Von außen betrachtet erinnern mich die Hotelfronten an Wes Andersons „Grand Hotel Budapest“ und so plädierte ich aus dem Bauch heraus für eine spontane, zweite Übernachtung, aber leider war alles bereits ausgebucht. Macht nichts, denke ich, nach einem kurzen Moment der Unzufriedenheit, dann müssen wir eben wiederkommen. Zum Abschluss treiben uns 15 Minuten Fahrt durch satten, dunklen Wald, der Marienbad umschließt und ihm noch mehr Zauber verleiht. Zwei Kilometer gemütliches Wandern durchs Hochmoor im Anschluss beweisen: hier ist auch richtig, wer neben Spa noch ein bisschen aktiv sein will. Fahrradtouren, Wanderungen, Naturschauspiel – alles nur einen Katzensprung entfernt. Auf der Weiterfahrt ordne ich meine Gedanken und überschlage: Übernachtung im 50 Quadratmeter Appartment für 50 Euro die Nacht und zwei Personen, ein böhmisches Festmahl für schlappe 23 Euro bei zwei hungrigen Essern, viel Glanz und Poesie ergeben eine Überraschung, die nächstes Mal nicht bloß ein Zwischenstopp sein sollte, sondern das alleinige Ziel einer Reise!
PS: Ich habe unser Appartement „Villa Karlstein“ einfach und umkompliziert auf booking.com gefunden und gebucht. Und nein, ich werde nicht gesponsert, sondern glaube daran, dass man Gutes teilen sollte : )
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